Ibizas Paradiesvögel - gemeint sind keine Menschen. Deshalb tragen die schrägen Vögel ein rosa Kleid
- Carina Neumann
- 23. März 2023
- 5 Min. Lesezeit
Vogelfrei und bunt – mit Ibizas Flamingos verhält es sich im Grunde genau wie mit seinen Besucher*innen. Sie alle suchen auf der Insel Erholung und Wärme, und Paradiesvögel zieht sie bekanntlich magisch an. Manch Reisende verbringen hier nur ihren Sommerurlaub, andere sind auf Durchreise – und einige bleiben für immer. In den Salinen leben ganzjährig Flamingos. Woher sie kamen und wohin sie gehen verriet uns Nuria Valverde, die Vogelbeobachterin und Zuständige des Naturschutzgebietes Ses Salines. Mit ihr begeben wir uns auf die Reise der rosa Exoten.

Las Salinas aus der Vogelperspektive – die Salzbecken haben einen rosa Schimmer. Der Grund dafür sind Milliarden kleinster roter Mikro-Organismen, die sie besiedeln. Sie sind die Nahrung der Flamingos und sorgen für ihr rosa Federkleid…
Flügel müsste man haben – sobald es in ihrer Heimat, der französischen Camargue, langsam ungemütlich wird, ziehen die sogenannten „Rosa Flamingos“ Richtung Afrika gen Süden, um dort zu überwintern. In den Frühlingsmonaten März und April fliegen sie ihre Heimat wieder an, um sich dort zu paaren und ihre Jungen großzuziehen. Dabei legen sie weite Strecken über Wasser zurück. Je nach Wetterlage und körperlicher Verfassung dauert ihre Reise mehrere Tage bis Wochen. Ibiza und die Salinen sind auf ihrer langen Reise ein sehr beliebter Rastplatz.
Denn nicht jedes Gebiet eignet sich zum Pausieren, und Wegzehrung ist unterwegs rar. Flamingos sind sehr (menschen)scheu und finden ihre Nahrung vorwiegend in seichten Gewässern mit extrem hohen Salzgehalt. Sie ernähren sich von kleinsten Krebstierchen, welche sie mit ihren gebogenen Schnäbeln aus den Schlickböden flacher Salzlagunen filtern. Diese Mikro-Organismen verleihen den Flamingos übrigens ihre typische rosa Farbe – zumindest ab dem zweiten Lebensjahr, denn davor sind die Jungvögel grau. Die überwiegend rötlichen Pigmente (Carotinoide) der Mikro-Organismen färben mit der Zeit das Gefieder der Vögel. Daher gilt: je nährstoffreicher der Boden, desto stärker ist auch die rosa Pigmentierung der Flamingos.
Die späten Herbsttemperaturen in der Camargue reichen bereits aus, um einen Großteil der winzigen Organismen in den Salzbecken lebensunfähig zu machen. Die Flamingos flüchten daher nicht nur vor der kalten Jahreszeit, sondern auch vor dem Nahrungsmangel. Auf Ibiza hingegen ist ihr Tisch im Wasser reich gedeckt: das Klima ist ganzjährig mild genug, um Nahrung zu finden. Steht die Sonne über den Salinen tief, haben die Salzbecken dank der kleinen Tierchen sogar einen rosa Schimmer. Es ist also reichlich Futter da…

Dieser Rosa-Flamingo vor einem Salzberg der Salinen macht seinem Namen alle Ehre. Sein Federkleid lässt erkennen, dass er gut mit den kleinen, roten Krebstierchen genährt ist.
Flamingos gab es auf Ibiza aber nicht schon immer – der erste wurde erst im Jahre 1988 entdeckt. „Vorher war hier wohl zu viel Trubel für die Tiere“, erklärt Nuria. „Es gab zahlreiche Partys an den Stränden und Menschen verirrten sich nicht selten auch mal in die Salzbecken“. Doch seit Ende der 80er Jahre setzte man sich auf der Insel vermehrt für den Schutz der Salinen ein, und Passanten durften die Salzbecken nicht mehr betreten. 2001 wurde das Gebiet Ses Salines offiziell unter Naturschutz gestellt. Auch andere Naturparks wie die Camargue wurden zu dieser Zeit unter Schutz gestellt, und mit ihnen die Tierarten, die sie besiedeln.
Seit den späten 80ern wächst die Zahl der Flamingos in Europa und somit auch auf Ibiza stetig. Und das ist gut so – denn ihr Bestand hatte sich davor drastisch verringert – auch heute noch gehört der Flamingo zu den bedrohten Tierarten. Aber es gibt Hoffnung: Während auf der Insel mit Beginn der 90er nur eine Handvoll Flamingos zu sehen war, wurden im Jahre 2015 stolze 830 Tiere gezählt. Und die Salinen, die anfangs nur als „Raststätte“ auf der Durchreise nach Afrika galten, sind heute ganzjährig ein Lebensraum für die Vögel – einige bleiben einfach hier.

Flamingos bei ihrer Siesta in den Salinen - auf einem Bein, den Kopf unterm Flügel.
„Flamingos sind eigensinnige Tiere und oft ein Rätsel für Ornithologen“, sagt Nuria. So hat sie mit ihrem Team beobachtet, dass die Vögel offensichtlich kein Problem mit dem hochfrequenten Flugverkehr und der Nähe des Flughafens zu haben scheinen und sich auch von den vielen Autos auf der Straße neben den Salinen nicht beunruhigen lassen. „Ihre Gelassenheit was den Verkehr betrifft, liegt wohl daran, dass erst Flugzeuge und Autos hier waren und dann die Flamingos“, vermutet Nuria. „Sie haben sich daran gewöhnt und angepasst“. Doch sobald ein Mensch aus dem Auto steigt und sich ihnen auch nur ansatzweise nähert, suchen sie panisch das Weite. Auch Hunde jagen den Vögeln im wahrsten Sinne des Wortes tierische Angst ein. Ein mittelgroßer Streuner genügt, um einen ganzen Schwarm Flamingos in hysterische Aufruhr zu versetzen. Um die Gemüter der sensiblen Flamingos zu schützen, wurden in den Salinen rings um die Salzbecken Zäune errichtet.
Auch die Reisegewohnheiten der Flamingos sind etwas eigensinnig. Unter den Tieren gibt es zwei Typen: „Die Cliquen und die Singles“, schmunzelt Nuria. „Manche fliegen in Gruppen, andere alleine“. Und auch ihre Reiseziele sind verschieden. Während die meisten nach Afrika weiterfliegen, überwintern manche auf den Balearen und an vereinzelten Orten des spanischen Festlands, wie der „Laguna de fuente de piedra“ in Málaga. Manchmal verirrt sich ein Flamingo auch zu dem kleinen Salzsee auf s´Espalmador oder nach Ses Salines auf Formentera, diese Ziele sind aber nicht ansatzweise so beliebt wie Ibiza. Denn außer der Ruhe vor Eindringlingen bieten die Salzbecken den Flamingos noch einen besonderen, ungewöhnlichen Vorteil: die Arbeit der Salzarbeiter…

Die Salinen waren bereits im 13. Jahrhundert ein bedeutendes Salzgewinnungsgebiet. Diese Bronze-Statue erinnert an die Salzarbeiter, deren Haut vom Salz zerfressen war. Daneben befindet sich die Beobachtungsstation für Flamingos (r.)
Nuria strahlt darüber, dass der Eingriff des Menschen in die Natur auch mal zu ihrer Bereicherung beiträgt. Die Flamingos profitieren von der Salzgewinnung in den Salinen, denn durch das Extrahieren und Filtern von Salz herrscht ständig Bewegung in den Gewässern. Das macht den Schlick am Grunde der Salzbecken sauerstoffreicher und kurbelt die Vermehrung der kleinen Krebstierchen an – der Nahrung der Flamingos. Auf ihrer herbstlichen Reise in den Süden erwartet die Vögel ein Festmahl auf Ibiza. Zu dieser Zeit wird das Salz geerntet, das durch die Verdunstung während der heißen Sommermonate gewonnen wurde. Daher tummeln sich im Herbst besonders viele Flamingos in den Salinen. Sie machen Rast und stärken sich. Im September letzten Jahres wurde der Rekord von 830 Tieren aufgestellt. Von diesen rund 800 Tieren der Spätsommermonate sind in den letzten Jahren je circa 100 bis 200 Flamingos auch im Winter auf Ibiza geblieben, und einige sind sogar ganzjährig hier. Es scheint, als seien sie echte Aussteiger – denn Ibiza bietet zwar gute Lebensbedingungen für die rosa Zweibeiner, aber eine Sache können sie hier nicht tun: nisten. Dazu fehlt ihnen lehmhaltiger Boden, aus dem sie ihre vulkanähnlichen Nester bauen könnten. Und weil diese Bedingung fehlt, pflanzen sie sich hier auch nicht fort. Nuria und ihr Team haben überlegt, ein wenig „nachzuhelfen“ und stellenweise Lehm in den Salinen aufzuschütten. Bisher ist es aber nur eine Idee, denn zu viele Flamingos könnten wegen der Salzgewinnung und des Verkehrs auch problematisch werden. „Warum genau ein Grüppchen der Flamingos hier bleibt, wissen wir nicht, denn eindeutige Forschungen sind durch die Scheu der Tiere schwierig. Aber einige Flamingos in den Salinen sind Jungtiere und daher vermuten wir, dass sie noch nicht geschlechtsreif sind und erst im Laufe der nächsten Jahre die Brutstätten anfliegen. Andere könnten wiederum schon zu alt sein, um sich fortzupflanzen“, sagt Nuria. Wilde Flamingos können bis zu 40 Jahre alt werden. Der älteste bekannte Flamingo starb im Alter von 83 Jahren. Er lebte in einem Zoo im australischen Adelaine. Doch Alter hin oder her – vielleicht ist der Grund warum diese wenigen Flamingos auf Ibiza bleiben aber auch der, dass ein paar schräge bunte Vögel eben einfach hier her gehören – nach Ibiza eben…

Jahrunderte alt und für die Salzarbeiter direkt am Rand der Salinen erbaut, ist die kleine Kirche Sant Francesc. Hinter der rechten Tür befindet sich das Museum des Naturparks.
Dieser Artikel erschien im Jahr 2016 in der Januar-Ausgabe des Monatsmagazins IbizaHEUTE. Fotos: Rüdiger Eichhorn



